Die Ortenau beherbergt eine artenreiche Fledermaus-Fauna, zu der auch bundesweit sehr seltene Tiere wie Wimper- und Weißrandfledermäuse zählen. Bis vor wenigen Jahrzehnten waren auch die Kleine und die Große Hufeisennase hier weit verbreitet. In Folge von Lebensraumveränderungen und dem Einsatz von Pestiziden wie DDT starben sie jedoch in den 1970er Jahren aus. Seit einigen Jahren beginnen sich Restbestände der „Hufies“ in der Nachbarschaft - z.B. im Elsass und in der Schweiz - zu erholen. Grund zur Hoffnung, dass sie altes Terrain wieder besiedeln!
Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein waren Kleine Hufeisennasen weit verbreitet. Vor allem im südlichen Deutschland eine der häufigsten Fledermausarten. Und eigentlich sind sie im Vergleich mit ihren Verwandten auch recht einfach zu entdecken: während fast alle anderen Fledermäuse sich in enge Mauerspalten oder unter Wandverschalungen zwängen oder den Tag verborgen in Baumhöhlen verbringen, hängen Hufeisennasen stets frei an ihren Füßen.
Außerdem ist es nicht ihre Art, sich tief in abgelegene Wälder zurückzuziehen. Nein, Hufeisennasen bevorzugen ein Dach über dem Kopf – oder besser über den Füßen: als enge Kulturfolger verbringen sie den Tag fast immer auf Dachböden, manchmal ist es auch ein warmer Heizungskeller. Oft bewohnen sie große Dachräume in Kirchen oder Schlössern, manchmal ein privates Haus.
Nur für die Wintermonate verlassen Hufeisennasen zumeist unsere Gebäude. Dann ziehen sie sich für den Winterschlaf in alte Bergwerkstollen und Höhlen zurück. Sommer- und Winterquartier liegen fast immer in einem 15 km Radius. Einige bleiben im selben Haus, ziehen lediglich vom Dach in feuchtkühle Kellerräume um. Auch hier hängen sie frei sichtbar an der Decke.
Eigentlich sind Hufeisennasen recht leicht zu entdecken… Aber in den letzten Jahrzenten wurde keine mehr gesehen. Nirgendwo im Ortenaukreis. Alle Quartiere, in denen sie früher hingen, sind verwaist.
Was hat sie vertrieben? Nicht umgezogen sind unsere kleinen Untermieter, sondern innerhalb weniger Jahrzehnte sind alle gestorben. In den 1950er bis 1970er Jahren wurden neu entwickelte Insektizide eingesetzt. DDT und Lindan erschienen als Segen für die Landwirtschaft, wurden aber auch im Wald und in Hausgärten verwendet und in erheblichem Umfang zur Bekämpfung und Vorbeuge gegen Holzwürmer im Gebälk der Dachböden. Die chemischen Mittel besiegelten das Schicksal ganzer Fledermausbestände. Am stärksten betroffen waren die Hufeisennasen. Innerhalb weniger Jahre verschwanden die kleinen Nachtflieger aus unserer Kulturlandschaft, die ihnen über Jahrhunderte ein guter Lebensraum war. Als 1973 ein Verbot von DDT und Lindan kam, gab es schon fast keine Hufeisennasen mehr. Und weil diese Mittel trotzdem noch bis weit in die 1980er Jahre in den Nahrungsketten präsent waren, bald darauf keine einzige mehr. Auf manchen Dachböden sind DDT und Lindan aus damals verstrichenen Holzschutzmitteln bis heute eine Gefahr, weil sich die Substanzen dort nicht abbauen.
Doch das muss nicht das Ende sein. In unserer Nachbarschaft haben sich Reste ehemaliger Vorkommen bis heute gehalten. Die nächsten Kolonien sind nicht weit von der Ortenau in Frankreich. Es gibt sie auch noch in der nördlichen Schweiz. Grund zur Hoffnung also, dass Hufeisennasen von dort aus altes Terrain besiedeln. Denn fast alle diese Restbestände entwickeln sich in den letzten Jahren gut. Und Lebensraum für die Kleine Hufeisennase gibt es nach wie vor im Ortenaukreis. Aber einfacher ist es für sie in den Jahren der Abwesenheit hier ganz sicher nicht geworden.
Löcher zum Dachboden wurden früher ganz bewusst offen gelassen. Ziel war dabei vor allem, das Gebälk luftig und trocken zu halten. Bei Scheunen zeigt die Bezeichnung „Eulenloch“, für was sie außerdem dienten. Im Zeichen von Wärmedämmung, Schaffung von zusätzlichem Wohnraum oder der Abwehr von Tauben wurden und werden aber der größte Teil dieser Zugänge verschlossen oder ausgebaut. Weil Hufeisennasen anders als andere Fledermäuse nicht durch Spalten kriechen können, brauchen sie aber solche freien Einflugöffnungen. Giftige Holzschutzmittel an ihren Hangplätzen sind ebenfalls immer noch eine große Gefahr.
Manchmal sind drohende Gefahren schwer erkennbar. Als tagaktive Wesen, die sich vor allem mit den Augen orientieren, ist Licht für uns positiv. Eine nachts angestrahlte Kirche erscheint attraktiv oder sogar romantisch. Die Straßenbeleuchtung gibt uns ein Gefühl von Sicherheit. Für eine Fledermaus ist das ganz anders. Während unser Sicherheitsbedürfnis uns Straßen und Gassen belechten lässt, lässt ihres die Fledermäuse eben solche Bereiche meiden.
Im Licht fliegend, sind sie nun einmal für ihre Feinde sichtbar. Deshalb wird eine Hufeisennase eine beleuchtete Straße immer meiden und stattdessen Umwege durch unbeleuchtete Gärten in Kauf nehmen. Wesentlich problematischer wird es, wenn die Ausflugöffnung aus dem Quartier selbst in Licht getaucht wird. Ein einfacher Strahler, der die Kirchenfassade mitsamt dieser Öffnung beleuchtet, kann ein gutes Quartier komplett untauglich machen!
Große landwirtschaftliche Anbauflächen sind für Hufeisennasen ein Problem. Zum einen überfliegen sie diese freien Flächen kaum. Zum anderen führt die industrielle Landwirtschaft direkt und indirekt zu einer anhaltenden Verringerung ihrer Nahrungsgrundlage. Düngemittel, Herbizide und fehlende Randstreifen bedingen, dass die Pflanzenvielfalt auf den Nutzflächen drastisch reduziert ist. Wo aber außer wenigen Nutzpflanzenarten nichts wächst, finden auch kaum Insekten Lebensraum und Nahrung. Das gilt nicht nur für Äcker, sondern auch für Wiesen. Zusätzlich werden Insekten auf Ackerflächen durch Insektizide reduziert und vergiftet.
Als äußerst hungrige Tiere brauchen Fledermäuse jede Nacht viele Insekten. Für die gesamte Kolonie muss genug Futter im Bereich um ihr Quartier und über den ganzen Sommer hinweg erreichbar sein. Der Rückgang der Insekten trifft sie deshalb besonders stark. Insbesondere in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten werden Hufeisennasen nicht mehr satt. Es lässt sich heute nicht mehr sicher sagen, ob ihre strenge Bindung an Wald als Jagdgebiet in früheren Jahrhunderten genauso bestand.
Hufeisennasen zeigen eine auffallend enge Bindung an Strukturen, die Ihnen Deckung im Flug bieten. Kaum einmal verlassen sie die schützende Vegetation und überfliegen Freiflächen. Sie brauchen Leitstrukturen wie Hecken und Bäume, um in ihre Jagdgebiete und zurück zum Quartier zu kommen und haben ohne sie ein echtes Problem. Wenn die Umwege, die sie in Kauf nehmen müssen, zu weit werden, kostet das letztlich mehr Kraft, als sie durch ihre Beute erhalten. Der Lebensraum verliert dann für Hufeisennasen seinen Wert. Auch dann, wenn sich weder der Wald noch ihr Dachboden verschlechtern. Ein ernstes „Überflughindernis“ sind überraschenderweise Straßen. Wenn sich die Kronen von Bäumen über ihnen nicht von beiden Seiten zumindest fast berühren, erscheint es den Tieren auch hier am sichersten, die Straße in 50 cm Höhe zu queren. Manch eine Hufeisennase wird dann zum Verkehrsopfer. Breite Straßen und Autobahnen überfliegen sie praktisch gar nicht. Gibt es Wasserdurchlässe oder Fahrradunterführungen, fliegen sie vielmehr drunter durch! Fehlen aber in erreichbarer Nähe solchen Querungshilfen, oder sind die Fahrradunterführungen nachts beleuchtet, endet der nutzbare Lebensraum der Kolonie an der Straße.